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_BALZAN Preis Projekt

Balzan-Preis 2010 für Geschichte des Theaters in all seinen Ausdrucksformen


Prof. em. Dr. Manfred Brauneck (Deutschland) für Theaterwissenschaft an der Universität Hamburg und Direktor des Zentrums für Theaterforschung

Für seine umfassende Darstellung von zweieinhalb Jahrtausenden europäischer Theatergeschichte sowie für seine Forschungen über Strömungen und Fakten weltweiter Ausprägungen theatralischer Aktivitäten

Mit der Verwaltung der Forschungsmittel betraut: Deutsches Zentrum des Internationalen Theaterinstituts, Berlin

Berater des Preisverleihungskomitees: Prof. em. Dr. Gottfried Scholz

 

Die Rolle der Freien Theater im europäischen Theater der Gegenwart: strukturelle und ästhetische Veränderungen


Manfred Brauneck fördert mit der Hälfte seines Balzan-Preisgeldes ein Forschungsprojekt, das die Wechselwirkungen zwischen einer Veränderung der sozialen und rechtlichen Bedingungen darstellender Künstler einerseits, den veränderten Produktions- und Distributionsmethoden in der darstellenden Kunst andererseits sowie der sich verschiebenden Dialektik von Inhalt und Form im zeitgenössischen europäischen Theater untersucht. Im Zentrum des Interesses steht dabei die Rolle der freien Theater innerhalb der theaterkulturellen Gesamtsysteme.


Die europäischen Theaterstrukturen machen zurzeit einen grundlegenden Wandel durch. Veränderte Voraussetzungen sowie neue Produktionsmethoden und Organisationsstrukturen haben sowohl die Inhalte des Theaters als auch seine Rezeption verändert. Die genauere Betrachtung dieser Zusammenhänge wird ein wichtiges Anliegen des Projektes sein. Wichtigster Auslöser und treibende Kraft dieses Wandels war der Zusammenbruch der politischen Systeme in Osteuropa nach 1990 und der damit verbundene Paradigmenwechsel auf dem sozialen und kulturellen Sektor, gefolgt von einer beschleunigten Globalisierung, durch die sich die Gestalt Europas seit den 1990er Jahren grundlegend verändert hat.


Diese Vektoren haben flexiblere, dezentralisierte Produktionsstrukturen und neue Kooperationsbeziehungen erzeugt, neue Technologien in die Planung und die direkte Schaffung theatralischer Ausdrucksformen eingeführt sowie Veränderungen im Distributionsprozess bewirkt (z.B. verstärkte Orientierung auf ein Zielpublikum, PR-/Marketing-Strategien, Internationalisierung, eventorientierte Produktion usw). All diese Faktoren beeinflussen die Arbeitsweise und die Lebensbedingungen der darstellenden Künstler nachhaltig. Aber die bereits existierenden Studien zu diesem Thema beschränken sich entweder auf die jeweiligen lokalen oder nationalen Kontexte, oder aber sie konzentrieren sich auf einzelne Aspekte (z.b Mobilität, sozialer Status).


Deshalb soll nun durch die Verzahnung von fünf thematischen transeuropäischen Studienprojekten ein Überblick geschaffen werden:


1. Die allgemeine, vergleichende Studie "Einheit in der Vielfalt": transnationaler und interkultureller Austausch im zeitgenössischen europäischen Theater (Arbeitstitel) von Friederike Felbeck wird Aufführungen, einzelne Künstler und deren Kollektive, ihre Arbeitsbedingungen und ihren künstlerischen Output untersuchen. Sie konzentriert sich auf strukturelle und ästhetische Veränderungen in den vielfältigen nationalen und kulturellen Kontexten seit 1990 und analysiert lokale und regionale Cluster im transnationalen und interkulturellen Austausch. Diese Arbeit wird betreut von Dr. Barbara Müller-Wesemann, Universtität Hamburg.

2. Die Überblicksstudie Das freie Theater im postsozialistischen Europa von Andrea Hensel analysiert die Besonderheiten des freien Theaters im Vergleich zum Stadt- und Staatstheater sowie deren jeweilige Rollen bei der Umgestaltung der osteuropäischen Theaterlandschaft nach 1990. Diese Arbeit wird betreut von Prof. Günther Heeg, Universität Leipzig.

3. Die vergleichende Studie Freies Kindertheater in Europa seit 1990: Differenz, Wandel, Visionen von Tine Koch konzentriert sich auf die wichtigsten Veränderungen hinsichtlich der Bedingungen, Strukturen, Formen und Themen im professionellen freien europäischen Kindertheater für die Altersgruppe bis 12 ( und Jugendliche bis 18) in den vergangenen 20 Jahren. Diese Arbeit wird betreut von Dr. Barbara Müller-Wesemann, Universität Hamburg.

4. Künstlerische Arbeitsweisen und Kritik in der zeitgenössischen Tanz- und Performance-Kunst an der Schnittstelle von Produktion und Ästhetik von Dr. Petra Sabisch zielt auf die qualitative Untersuchung der Auswirkungen sich wandelnder Produktions- und Distributionsbedingungen auf künstlerische Arbeitsweisen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes und der Choreographie. Diese Arbeit wird betreut von Prof. Gabriele Brandstetter, FU Berlin.

5. Theater und Migration - Dokumentation, Einflüsse und Perspektiven von Migration im europäischen Theater seit 1990 von Dr. Azadeh Sharifi analysiert den Einfluss der Migration auf das europäische Theater anhand von Künstlern und Theatergruppen mit "Migrationshintergrund". Diese Arbeit wird betreut von Prof. Wolfgang Schneider, Universität Hildesheim.

Alle Studien werden neue Erscheinungsformen des Musiktheaters sowie die Rolle der Theaterpädagogik als intersektionale Themen berücksichtigen. Sie werden frühere Forschungsarbeiten und lokal verfügbare Materialien sowie persönliche Interviews, Fragebögen und vergleichende Feldstudien aus unterschiedlichen europäischen Ländern verwenden, die nach den jeweiligen Forschungsschwerpunkten ausgewählt werden. Das Projekt schafft die Grundlage für eine Darstellung essentieller Verschiebungen innerhalb der Produktionsmethoden und der Inhalte des zeitgenössischen Theaters der letzten zwanzig Jahre. Darüber hinaus kann das Projekt Schlussfolgerungen ziehen und Empfehlungen für kulturpolitische Maßnahmen formulieren, insbesondere für den Prozess der Umsetzung der Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, welche die UNESCO im Jahr 2005 verabschiedet hat.
Das Gesamtprojekt wird von Prof. Manfred Brauneck betreut und von Andrea Zagorski (ITI Deutschland) koordiniert.


Akademische Treffen:


Kolloquien: durchgeführt im Deutschen Zentrum des Internationalen Theaterinstituts, Berlin, am 20. Oktober 2011; am 27. und 28. Januar 2012, am 4. April 2012 in Hamburg, anlässlich des transeuropa-Festivals in Hildesheim im Mai 2012 und im November 2012 im Rahmen der euro-scene Leipzig.

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