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_Bewegungsmelder

KONZEPTION

"Bewegungsmelder" ist konzipiert als modulare Projektserie, welche in 2006 mit einem Roundtable beim Festival "euro-scene Leipzig" und der Kooperation mit dem Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin bei der Konferenz "The New Surveillance" eröffnet wurde.

Perspektivisch mündet die Projektserie in eine künstlerische Arbeitsbegegnung - das
ITI Projekt Bewegungsmelder/ escalators - bei THEATER DER WELT 2008.

Nicht erst seit 11/9/2001 und eher carmoufliert in Terrorismus- und Sicherheitsdebatten geraten immer mehr Bereiche des öffentlichen und privaten Raumes in den Fokus von Beobachtungs- und Überwachungsmaßnahmen. Videoüberwachung (Close Circuit Television CCTV) galt lange Zeit als Patentlösung gegen Kriminalität und zur Revitalisierung von Innenstädten, sie gehört zur Betriebsroutine des öffentlichen Nahverkehrs, der Mautsysteme, von öffentlichen Plätzen, Geschäften, Tankstellen und Banken. Inzwischen wird der Videoüberwachung bereits in verschiedenen Studien jene Effizienz in der Kriminalitätsprävention abgesprochen, die vielfach diese Maßnahmen offiziell begründet.

Die Kritik am Phänomen - von Bürgerrechtlern, Datenschützern, Medienkünstlern - ist bereits eine ältere. Eine neue Qualität erhält das Problem jedoch auch durch ein System von umfassender Datenerfassung (bei diversern Bonus, ec oder Gesundheitskarten), durch die Entwicklung biometrischer Erkennungstechnik und die Erfassung individueller biometrischer Daten in den ID-Dokumenten, Positionsbestimmungen über das Mobilfunknetz etc. Die Überwachung durch die sichtbare Kamera erscheint nur als Rudiment in einer Welt unsichtbarer Kontrolle durch unsichtbare Aufzeichnungsgeräte im akustischen und optischen Bereich und durch den gesamten Bereich der unsichtbaren Datenerfassung und -sammlung.

Aber realisiert sich dergestalt vielleicht doch noch die panoptische Vision einer "totalen Überwachung"? Die Videoüberwachung ist zu einem allgegenwärtigen, permanenten, vielfach billigend in Kauf genommen Eingriff in die Lebenssphäre des Einzelnen geworden. Der Schutz vor Kriminalität wird als höheres Gut gegenüber dem Schutz der Privatsphäre im öffentlichen Raum bewertet. Die These, dass Videoüberwachung normierte, der Ordnung entsprechende Bewegungsweisen vorgibt, dass diese "korrekten Verhaltensweisen" bereits weitgehend internalisiert seien, dass sie bei den Beobachteten bereits bestimmte Bewegungsmuster generiert werden und Kontrolle zur Selbstkontrolle mutiert - diese These wird inzwischen kritisch befragt. Überwachung und Datenerfassung - auch wenn sie ohne Wissen der Öffentlichkeit, entzogen demokratischer Kontrolle und in viel größerem Ausmaß als bekannt erfolgen - taugen nicht mehr zum Skandal.

Der Wandel vom Paradigma des Panoptikums mit dem außen Stehenden, alles sehenden, aber selbst unsichtbar bleibenden Wächter hin zu einem komplexen Szenario, in dem jeder zugleich Agierender/Beobachteter und Beobachter eines Anderen ist hat sich vollzogen. Die Technik, um Bilder aufzunehmen und zu übertragen, ist inzwischen für fast jeden verfügbar.
Mit den Bilddiensten von Google und anderen, sind Bilder von jedem Teil der Erde verfügbar, die Kameras von Mobiltelefone erlauben kaum bemerkbare Aufnahmen aus der Umwelt. Wobei die hauptsächliche Nutzungsidee, welche die Werbung den Nutzern suggeriert, die Aufnahme des Nutzers selbst ist - mit Freunden, in witzigen Situationen, vor touristischen Attraktionen etc.
Die Selbstvergewisserung im das Produzieren und Distribuieren immer neuer Bilder von sich selbst scheint das Individuum der Gegenwart zu konstituieren - und weniger die selbst bestimmte Abgrenzung zwischen öffentlichem Sein und privatem Sein.

Im Umfeld der kritischen Öffentlichkeit entwickeln (zumeist bildende) Künstler Projekte -Installationen und Performances -, die sich mit Überwachungs- Macht- und Kontrollmechanismen auseinander setzen.

Zugleich scheinen Choreografen - deren künstlerische Arbeit engstens mit der Beobachtung, Analyse und (De-)Konstruktion von Bewegung verbunden ist -, prädestiniert, sich mit dieser Form der Beobachtung und Regelung von Bewegungsabläufen in der außerkünstlerischen Welt auseinander zu setzen. Die Selbstbeobachtung und Selbstwahrnehmung des Künstlers zielt auf das Erkennen eigener Bewegungsmuster und davon ausgehend auf das Spiel, die kreative Manipulation dieser Muster. Kann nun dieses künstlerische Know-how für eine künstlerische Analyse sozialer Gegenwart aktiviert werden?

Der Themenkomplex der Beobachtung von Bewegung - Videodokumentation - Überwachung ist der Ausgangspunkt der unter dem Label "Bewegungsmelder" initiierten Projekte. In deren Zentrum sollen choreografische Perspektiven stehen, jedoch werden diese künstlerischen Erfahrungen mit Arbeitsweisen anderer Künstler aus allen Bereichen der Performing Arts konfrontiert und Informationen und Impulse bzw. Beiträge von Soziologen, Journalisten, Politikern und Kulturwissenschaftlern aufgenommen. In der Kombination unterschiedlicher Formate - Diskussionen, Workshops, Laboratorien und Symposium - stellt das Projekt ein vielseitiges Forum in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Fragen von Demokratie und Kontrolle dar.

Fragestellungen, zu denen Diskussions- und Arbeitsprozesse initiiert werden:

- Politik im Theater: politische Momente in der Kunst (politische Intention vs. Kunst)
- politisches Engagement von Künstlern
- Künstlerischer Ausdruck sozialer Konflikte
- Kunst der Bildkontrolle: individuelle Bildproduktion - Mediale Bildproduktion
- Demokratie und Kontrolle
- Bewegungsanalyse, Körperforschung
- Kontrolle und Spiel, Systemforschung
- Mensch-Maschine-Interaktion
- Interventionen im öffentlichen Raum

 

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