Theater der Welt 2002 – Das Konzept
von Matthias Lilienthal
"Das bin also ich"
Deleuze, Anti-Ödipus
Köln, 23. Oktober 2001
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben Sie hier in den Fernmeldeturm nach Düsseldorf gebeten,
um Ihnen erste Informationen über das Festival Theater der
Welt vom 21. - 30. Juni 2002 in Bonn, Duisburg, Düsseldorf
und Köln zu geben. Von hier aus sieht man die Schlängelbewegungen
des Rheins und kann einen ganz guten Überblick über
die vier Städte gewinnen: Im Norden rauchen die Schornsteine
von Duisburg, und unter Ihnen versprechen die Werber alles - und
halten fast nichts. Hinten sehen Sie die Pointenschreiber von Harald
Schmidt, die das Feuilleton der FAZ neu erfinden wollen, und weit
im Süden am Horizont die Telekom-Stadt, deren ganzes Heil nicht
mehr an der Politik, sondern am Dax hängt. Übersicht haben
ist ab und zu nicht so schlecht.
Manchmal aber, wenn man nach Buenos Aires oder Chennai fliegt,
stellt man am Ende fest, dass das Wichtige direkt vor der Nase liegt
und das wichtige Theater direkt vor der Nase entsteht, keine hundert
Kilometer von Ihnen entfernt – in Holland und Belgien.
Theater der Welt ist ein internationales Theaterfestival,
das alle drei Jahre stattfindet und jedes Mal den Kurator und die
Stadt wechselt. Es kann also jedes Mal neu erfunden werden. Ein
Experiment von Theater der Welt 2002 ist die Vier-Städte-Konstruktion.
Vier Städte, d. h. vier Mentalitäten, vier verschiedene
soziale Situationen, vier Chancen sich zu verachten oder zu schätzen.
Ganz formal bedeutet es aber auch: vier große Kästen
mit Zuschauern zu füllen. Das gleicht schon einer Sisyphos-Arbeit,
weil das internationale Theater erst einmal nicht dazu neigt,
für das Düsseldorfer Schauspielhaus entworfen zu sein.
Internationales Theater hat viel eher die Tendenz zum Schuhkarton,
zum Theater mit nicht mehr als 100 Plätzen. Das hat nicht nur
mit ästhetischen, sondern auch mit materiellen Bedingungen
zu tun. Es geht außerdem nicht allein darum, das internationale
Theater zu präsentieren, das Programm muss für die vier
Städte konzipiert werden. Ein Festival für eine Region
muss etwas grundsätzlich anderes sein als ein Festival für
eine Stadt. Theater der Welt 2002 zentriert sich rund um das argentinische
und das holländisch-flämische Theater.
Das Überraschende an den Recherchen ist, dass viele alte Kategorien
nicht mehr greifen. Es dreht sich nicht mehr um die Auseinandersetzung:
klassischer Kanon kontra Regietheater. Diese Antinomien sind ebenso
verblasst, wie die Frage von erster und dritter Welt. Die Begriffe
sind uneinheitlicher geworden. Aber die Wiederkehr des Politischen
in der Kultur scheint sichtbar.
"Das bin also ich"
Ein Begriff des Sozialen und Politischen ist dabei, sich neu zu
kreieren – entgegen der Bedeutung, die er in den siebziger
und achtziger Jahren hatte. Naomi Klein zeigt in 'No Logo', wie
unser Lebensgefühl über das Markendesign mit einer unvorstellbaren
Ausbeutung des neunzehnten Jahrhunderts erkauft wurde. Heute jedoch,
in dieser Welt der Sonderwirtschaftszonen, taugt noch nicht einmal
der
Fabrikbesitzer zum Feind, da er den Aufträgen der multinationalen
Wirtschaft ebenso ausgesetzt ist, wie seine Arbeiterinnen ihrem
Chef. Es geht ihr nicht um die Wiedereinführung der alten Feindbilder,
die glücklicherweise überwunden sind; aber es
ist durchaus ihr Anliegen, die Kehrseite des Neoliberalismus
und seine Folgen sichtbar zu machen.
Dem Theater mangelt es an einer Auseinandersetzung mit Geschichte,
mit Philosophie und Soziologie. Es entwickelt zu wenig an konkreten
Konzeptionen. Ein Ansatz dieses Festivals ist, die Auseinandersetzung
zu suchen: und zwar über die Veränderung des Identitätsbegriffs,
über einen neuen praktischen Politikbegriff.
Identität contra Patchwork
Am Anfang des neuen Jahrzehnts ist im Theater eine größere
Auseinandersetzung mit diesem Thema zu spüren. Aber die Aporien
haben sich verändert. An die Stelle von Identität ist
Auswechselbarkeit getreten. Wenn man in Tokio am Sonntag die Kids
am U-Bahnhof Shibuya sieht, wenn man dort 500mal einen perfekt gestylten
Elvis sieht, 300mal Madonna und dann noch so und so viele John Lennons
und all die anderen, dann ist gerade in Asien, wo immer ein anderer
Identitätsbegriff herrschte, eigene Identität zur Simulation
der Konsumption geworden.
In den siebziger und achtziger Jahren ist das Vertrauen in Politik
verloren gegangen, in den neunziger Jahren gab es dann das Vertrauen
in die Ökonomie, das jetzt auch verloren ist. Aber wie soll
dann die Ethik für eine Gestaltung des Lebens aussehen? Leben
kann sich nicht allein aus den Shareholdervalueinteressen heraus
formulieren. Wie definieren sich Privatheit und Öffentlichkeit?
Wie definiert sich Frieden, wie definiert sich Krieg? Theater hat
wieder die Chance, einen neuen Begriff des Sozialen und Politischen
zu bestimmen.
Mit einem Satz von Deleuze aus dem 'Anti-Ödipus' zu hinterfragen
"Das bin also ich", bedeutet, das Ich zu denken in Zeiten
von Indifferenz und Gleichgültigkeit als ein Zeichen brüchiger
Identität. Es hat ein schönes Erstaunen über das
eigene Gewordensein. Diese Gleichgültigkeit ist als Tendenz
in den ausgewählten Produktionen spürbar.
'Kraft der Negation'
Mit Diedrich Diederichsen veranstalten wir ein konzeptionelles
Wochenende unter dem Titel 'Kraft der Negation':
Ist die große Geste der Negation noch angemessen? Ist
sie noch kommunizierbar? Sind Verneinungen noch denkbar, die nicht
automatisch wieder kleine abgegrenzte Räume bilden? ... Im
Theater wird oft verzweifelt nach Negationsstrategien gesucht,
während die Bildende Kunst es sich gerade in einer postnegativen
Phase gemütlich gemacht zu haben scheint – eine gute
Gelegenheit die Schwächen beider Lager gegeneinander auszuspielen.
(Diederichsen)
Die konzeptionellen Wochenenden haben wir in der Arbeit der Volksbühne
am Rosa Luxemburg Platz, Berlin, entwickelt. Oft beschrieben sie
eher vermutete Behauptungen, als etwas, das sich wirklich schon
Raum verschafft hatte. Es geht uns im Rahmen des Festivals darum,
Zusammenhänge aus der Kunst, der Politik, der Philosophie als
Information einzubringen. In Clubatmosphäre veranstalten wir
eine Art von Lectures, Diskussionen und Installationen.
Diedrich Diederichsens Behauptung über die Rolle der Negation
und die Untersuchung ihrer Möglichkeiten ist nicht nur
vor dem Hintergrund der Antiglobalisierungsbewegung wichtig. Aber
wenn 'No Logo' mittlerweile selbst zur Marke wurde, als Label der
Globalisierungsgegner funktioniert, dann stellt sich die Frage nach
der 'Kraft der Negation' hier ganz konkret.
Schwerpunkt Stadt
Das Forum Freies Theater versucht
seit seinem Beginn vor zwei Jahren internationales und freies Theater
in Düsseldorf zu etablieren. Aus konzeptionellen Ansätzen
heraus ist in Kooperation mit der Bundeszentrale
für politische Bildung die Idee zu einer Reihe von 'Stadterkundungen'
entstanden. Es handelt sich dabei um Ausflüge in den urbanen
Raum Düsseldorfs und die Einladung von Produktionen zur Thematik
der Stadt. Dies ist ein weiterer Versuch, Festival und urbanen Raum
thematisch zu verbinden. Konzipiert wird die Reihe von Carena Schlewitt
vom FFT.
Die Erledigung der Familie
Viele der eingeladenen Inszenierungen sind Gesänge über
die Gleichgültigkeit, hinter der sich anderes verbirgt. Dennoch
glaube ich an die Notwendigkeit einer Repolitisierung von Kunst,
aber eine Kunst, die die strukturelle Gleichgültigkeit nicht
mitdenkt, ist zum Untergang verurteilt.
'Recent Experiences', Toronto: Menschen sitzen um einen Tisch herum.
Unter den Zuschauern sind auch einige Schauspieler. Sie spielen
nicht, sondern sie erzählen. Jahreszahlen werden genannt. 1900.
Die Geschichte einer Familie entfaltet sich. Die Menschen sprechen
wie über Fremde. Der Mann möchte eine Frau heiraten: Aber
nur, wenn Du nicht mit mir schläfst. Ja. Einige Sätze
später ist sie dann ermordet worden. Wegen ihrer sexuellen
Orientierung. Er fragt ihre Schwester, ob sie ihn heiraten will.
Aus ihrer Verbindung entspringt ein mickriges Kind. Gefühle
sind diesen Menschen weit entfernt. Manchmal erinnert es an die
Entfremdung der Menschen in den Inszenierungen von Richard Maxwell.
Biographie ist hier nicht individuelles Schicksal, sondern Metapher
für einen Zustand der Welt. Besonders unerträglich wird
die Kälte dadurch, dass Jakob Wren und Nadia Ross damit einen
Teil des kanado-amerikanischen Mythos der Familie erledigen.
Die Erfindung der Biographie zwischen Imagination und Realität
Sarah Chase greift in ihren Arbeiten den privaten Raum auf. Wir
bitten je eine Familie oder einen Bewohner der vier Städte,
einige Tage aus ihrer Wohnung auszuziehen. In dieser Zeit stellen
wir ein gutes Hotel zur Verfügung. Sarah Chase zieht mit einem
Musiker und einem Dramaturgen ein und hat die Erlaubnis, aus der
vorgefundenen Wohnsituation, aus der Biographie der Bewohner und
ihrer eigenen Geschichte heraus einen neuen Lebenslauf zu erfinden,
den sie am Ende tanzend und erzählend vorstellt. Dabei wird
es ein Gespräch zwischen den Performern der imaginierten Realität
und den realen Bewohner geben. Sie haben in dieser Zeit ihre Stadt
aus einer anderen Perspektive erlebt. Sie haben in ihrer eigenen
Stadt als Gast im Hotel gewohnt. Am Ende treffen Biographie und
Lüge aufeinander.
Entdeckt habe ich Sarah Chase in einem Projekt des Kaaitheaters,
das 'Face to Face Communication' zum Thema hatte. Dabei nahm sie
einen Gast für 45 Minuten zu sich in eine Dachstube mit, und
nach einer Meditation erzählte sie anhand eines gefakten Tarot-Kartenspiels
die Biographie ihrer Familie. Kolonisation, sexuelle Träume
und zweiter Weltkrieg. Am Ende saß ich da, hatte umgekehrt
meine sexuellen Träume, die Geschichte meiner Familie erzählt.
Einige Lügen hatten das möglich gemacht. Biographie ist
längst nicht mehr, wie in den siebziger Jahren, mit dem Begriff
der Authentizität verbunden.
Trotzdem wird im Theater wieder das Leben erzählt: bei Sarah
Chase wie in einer kriminalistischen Rekonstruktion, hinter der
sich dann so etwas wie eine Nietzscheanische Lust verbirgt, das
eigene Leben zu erfinden und an dessen imaginative Kraft zu glauben.
Das Babylon von Brüssel
Seit dem Duisburger Gastspiel von 'Schlachten!' ist Luk Perceval
in der Region kein Unbekannter mehr. In der zehnstündigen Aufführung
von Shakespeares 'Rosenkriege' bewegt er sich durch alle Stile des
Theaters, angefangen mit dem japanischen traditionellen Theater,
um am Ende in einer tarantinohaften Welt anzulangen, in der genauso
viel Blut fließt, wie in Pulp Fiction. Am Ende blieb die amerikanische
Filmsprache als einzige Möglichkeit 'Richard III' zu erzählen.
Und Thieme wurde dabei zum Grund für Perceval, Lear inszenieren
zu wollen. Seine Person ist der Motor für die Produktion 'L.
King of pain', die vom Toneelhuis Antwerpen, dem Schauspielhaus
Zürich und dem schauspielhannover realisiert wird. Premiere
hat sie in der Kulturhauptstadt Brügge im April 2002.
Brüssel mit seinem Sprachengewirr der europäischen Hauptstadt
wird zum Movens: ein modernes, zum Untergang verdammtes Babel.
Schauspieler aus verschiedenen Sprachgebieten zu versammeln
und eine Form zu entwickeln, die über die Grenzen hinaus
verstehbar ist, hat natürlich mit der Frage zu tun, wie wir
im vereinten Europa mit diesem ja nicht unkomplizierten europäischen
Gedanken umgehen. Die Sprachmischung aus Niederländisch,
Deutsch, Französisch und Englisch leitet sich aus dem Stück
ab. Der Mensch, der Lear zu sein glaubt, heißt bei uns L.,
weil er genauso gut Louis heißen könnte, oder Ludwig,
oder Luk. Und der regrediert in seinem Alzheimer-Zustand so weit,
daß er Mittelhochdeutsch spricht, die älteste uns noch
verständliche germanische Sprache, der gemeinsame Sprachstamm.
Die Gruppe von dementen Insassen, die L. umgibt, redet seine Sprache
und spielt die Rollen in seinem Stück. Der Blinde, der ihn
begleitet, glaubt, dass L. Lear ist und er selbst Gloucester.
Die Töchter, die ihrem Vater völlig entfremdet sind,
haben ihre eigene Sprache. Denn sie haben Franzosen geheiratet,
distanzieren sich von ihrer Vergangenheit und reden nur französisch,
weil es chic ist und entwickelter ist. Gloucesters Bastardsohn
kommt nach einem langen Auslandsaufenthalt total amerikanisiert
zurück und artikuliert sich nur über Rap und Hip-Hop-Texte...
(Perceval)
Infantile Erwachsene und erwachsene Kinder
Josse de Pauw ist ein Fossil des flämischen Theaters. Lachend
erzählte er mir, bei dem Theater der Welt 1981 auch schon dabei
gewesen zu sein. Eigentlich wollte er kein Theater für Kinder
machen, und dann kam es ganz anders. Er drehte einen Film über
sechs Erwachsene, die sich zum Essen treffen. Der Abend nimmt die
klischeehafte Entwicklung zwischen Alkohol und erotischer Ausschweifung,
die wir aus dem französischen Kino kennen. De Pauws Film ist
in schwarz-weiß gedreht. 10-12jährige Kinder beginnen
das, was sie sehen, zu synchronisieren – ein heiteres und
leichtes Spiel. Aus dem Verhalten der Erwachsenen und den Kinderstimmen
entsteht eine Differenz, die interessant ist. Das Spiel wird zu
einem Essay über die infantilen Erwachsenen und die erwachsenen
Kinder. Die Produktion üBUNG ist ein ganz heiteres und leichtes
Theater, weil es zum großen Teil aus der Konzeption heraus
wirkt und deswegen fast den Charakter einer Installation hat.
Schwerpunkt Argentinien
Das argentinische Theater hat eine spezifische Ausprägung
entwickelt. In seinen spannenden Formen findet es nämlich samt
und sonders in sogenannten Schuhkartons statt, und dies ist kein
Zufall, sondern bis zum heutigen Tage eigentlich eher Programm.
Die Gruppen haben sich in kleine Zirkel zurückgezogen und weitgehend
finanziell autonom gemacht. Ihren Lebensunterhalt finanzieren sie
in aller Regel durch Workshopunterricht. Fast alle haben bei Ricardo
Bartís und seinem Sportivo Teatral gelernt. In ihren Studios
haben sie so lange Zeit zur Entwicklung ihrer Projekte, wie sie
wollen. Die Vorlagen basteln sie sich selbst zusammen oder erfinden
sie neu in Form von Projekten. Dabei gibt es so etwas wie einen
gemeinsamen Formenvorrat, der mit der Bewältigung der Diktatur
zu tun hat und der besonderen Grausamkeit des Verschwindens von
36000 Argentiniern, deren Tod ohne jedes Zeichen blieb. Das bedeutete
lange Zeit eine besondere Art der Trauer und zwang auch die Theatermacher
dazu, sich zu verhalten.
Argentinien ist aber auch das Land, das am stärksten vom Neoliberalismus
betroffen ist. Die argentinischen Theatermacher mit ihrer Tradition
zur Borges'schen Mythologisierung schaffen neue Mythen und ihre
Destruktion zur gleichen Zeit. Die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft
kommentiert die Aufbrüche und Niederlagen gleichermaßen.
So wie Ricardo Bartís mit seinem Stück 'El pecado que
no se puede nombrar' den Versuch zur Gründung einer revolutionären
Zelle als reinen Akt des Egoismus zeigte. Veronese und seine Gruppe
'El Periférico de Objetos' widmen sich in einem
Land mit enormer Selbstmordrate dem Thema Suizid. Ist man in Buenos
Aires auf einer Probe oder zu einem Essen eingeladen, kommt unweigerlich
das Gespräch auf eines der folgenden Themen: Proben müssen
unterbrochen werden, weil jemand einen Termin beim Therapeuten hat
oder weil einer einen Workshop abhält, um Geld zu verdienen.
Wenn Wien in Europa die Melancholie verkörpert, so ist das
für Südamerika Buenos Aires. In der Stückankündigung
schreibt Veronese, dass die für sein Theater typischen Puppen
als "Selbstmord-Dummies" das körperliche Verhalten
bei verschiedenen Todesarten testen werden. Er bespiegelt und befragt
das Phänomen des Selbstmordes unter verschiedenen Aspekten.
Es sind Versuchsanordnungen, die das Gesellschaftliche auf einer
privaten Folie aufzeigen, oder umgekehrt: das Private gesellschaftlich
aufladen, um es in seiner Ambivalenz schillernd aufscheinen zu lassen.
Mit der Bundeszentrale für politische
Bildung findet eine Reihe 'Neoliberalismus/Argentinien' statt,
die sich mit den kulturellen Folgen von Globalisierung und Neoliberalismus
auseinandersetzt. Sie bezieht sich auf den Argentinienschwerpunkt
des Festivals. In Vorträgen, Diskussionen, Filme und Diskussionen
und theoretischen Veranstaltungen werden diese Probleme anhand der
extremen Situation einer Megalopolis diskutiert. Dabei kommen insbesondere
südamerikanische Intellektuelle zu Wort, Filme und Musik werden
auch eine Rolle spielen.
Kunst
Bei den Vorbereitungen zu Theater der Welt 2002 sind eine Reihe
von Kooperationsprojekten entstanden. In Erinnerung an das 81er
Festival, das gleichzeitig mit der Ausstellung 'Westkunst' von Kaspar
König stattfand, entstand die Idee einer Ausstellung und Veranstaltungsreihe
in der Sammlung Ludwig. Theaterleute
sind zunehmend beeinflusst vom Konzeptionalismus der Bildenden Kunst,
Bildende Künstler interessieren sich für Theatralität.
Dorothea von Hantelmann und Marjorie Jongbloed werden das Thema
der Performativität untersuchen. Die Ausstellung startet gleichzeitig
mit Theater der Welt.
Das Kölner Festivalzentrum zum Essen, Reden und Trinken wird
gemeinsam mit dem Fachbereich Design in der Fachhochschule Köln
entwickelt und betrieben. Damit setzen die Professoren Uta Brandes
und Michael Erlhoff ihre Arbeiten im Rheinauhafen und den Waggoninstallationen
auf dem Bahnhof fort. In jeder Stadt wird es ein Festivalzentrum
zum Essen, Trinken und Reden geben.
Weltbild
Das Konzept, mit dem wir für Theater der Welt werben, basiert
auf einer Idee von Bert Neumann und dem Berliner Grafikbüro
LSD. Gesprächspartner –
Regisseure, Festivalleiter, Übersetzer und Dramaturgen
– in der ganzen Welt werden gebeten, ihr Haus und ihre Straße
zu fotografieren. Das Projekt 'Weltbild' setzt damit die Arbeit
der Agentur fort, den offiziellen Bildern private Bilder gegenüber
zu stellen. LSD beschäftigt
sich seit einigen Jahren mit Dokumentarfotografie, ausgelöst
von einer Reise nach Belgrad kurz nach den Bombardements der Nato.
Diesem Ansatz folgt auch das Projekt 'Weltbild'.
Eines der ersten entstandenen Bilder zeigt eine Straße. Es
sind chinesische Schriftzeichen zu sehen. An der Straße wird
noch gebaut. Erst befriedigt das Foto das Festivals innewohnende
Gefühl nach folkloristischer Exotik, aber dann sieht man, dass
es die sterile Perfektion und der Reichtum der westlichen Welt ist,
und da wirkt es auf einmal wie Walt Disneys Stadt 'Celebration'.
Und plötzlich denkt man, es könnte auch das Filmset der
'Truman Show' sein, und vielleicht sind wir alle nur Statisten in
einem dieser Filme.
Matthias Lilienthal
Die Kraft der Negation
Konzeptionelles Wochenende
Kuratiert von Diedrich Diederichsen
Ist die große Geste der Negation noch angemessen? Ist sie
noch kommunizierbar? Sind Verneinungen noch denkbar, die nicht automatisch
wieder kleine abgegrenzte Räume bilden? Ja ist nicht oft die
Verneinung nur eine schwache unpräzise Bejahung? Wofür
ist eine/r, der/die GlobalisierungsgegnerIn oder antideutsch sich
nennt oder genannt wird?
Die Veranstaltung will die Frage als eine typische Schnittstelle
zwischen künstlerischer und politischer Kommunikation thematisieren.
Negation – ob als politische Radikalität oder existenzialistische
Verweigerung – spukt durch alle Mythen aber auch viele aktuelle,
aber unausgesprochene Zielvorstellungen künstlerischer Praxis.
Im Theater wird oft verzweifelt nach Negationsstrategien gesucht,
während die Bildende Kunst es sich gerade zur Zeit eher in
eine postnegativen Periode gemütlich gemacht zu haben scheint
– eine gute Gelegenheit die Schwächen beider Lager gegeneinander
auszuspielen.
Darüber hinaus stellt sich aber der Bezug zu einer politischen
Radikalität gerade dadurch als immer schwieriger heraus, dass
diese sich selbst immer nur implizit auf diskutierenswerte Grundlagen
stellt. Ist die politische Negation da die einzige Möglichkeit
– da es reicht, z.B., etwas abzulehnen, um politisch zu werden,
ohne dass da mit eine Norm verknüpft wäre, einen Gegenentwurf
mitzuliefern, am Ende gar einen pragmatischen – oder ist die
Negation immer nur eine Flucht vor der in ihr implizit enthaltenen
Position?
Die Veranstaltung möchte diese Fragen sowohl theoretisch/diskursiv
adressieren wie auch künstlerische Haltungen vorstellen, die
sich heute mit Fragen der Verweigerung auseinander setzen, im explizit
politischen ebenso wie in einem proto-politischen Sinne.
Berlin
LSD
Weltbild
In Zusammenarbeit mit LSD, einem Berliner Grafikbüro, hat
Theater der Welt das Projekt 'Weltbild' entwickelt.
Das "autonome Grafikbüro" LSD
wurde 1991 aus dem Impuls gegründet, mittels Reklame Kunst
im öffentlichen Raum zu transportieren. Es entstand die Strategie
der "benutzbaren Werbung". Ausgelöst durch eine Reise
nach Belgrad kurz nach dem NATO-Bombardement entstand erstmals die
Idee private Bilder zu machen, die als Kommentar zu den offiziellen
Bildern gedacht waren. "Unser Weltbild besteht aus Bildern:
offiziellen Bildern der Nachrichtenagenturen und Fernsehstationen",
erklärt Bert Neumann, Gründungsmitglied von LSD, das Interesse
der Agentur an der Dokumentarfotografie. Diesem Ansatz folgt auch
das Projekt 'Weltbild'.
Theater der Welt bittet die internationalen Gesprächspartner
des Festivals – Regisseure, Festivalleiter, Übersetzer
und Dramaturgen – mit einer Einwegkamera ihr Haus, ihr Zuhause
zu fotografieren. In unzeitgemäßer Weise werden die Plastikkameras
quer über die Kontinente geschickt, sie bewahren die Bilder
der verschiedenen Häuser in sich auf und bringen sie nach Deutschland.
Nicht als digitale Datenmenge, sondern als etwas Materielles kommen
die Mitteilungen der anderen Theatermacher über ihre Heimat
bei Theater der Welt und LSD an. Damit versprechen sie eine merkwürdige
Authentizität. In einem zweiten Schritt befragt die Aktion
die Menschen im Rheinland. Auch die Bürger aus Bonn, Duisburg,
Düsseldorf und Köln werden gebeten, ihr Haus und ihre
Straße zu fotografieren. Die 'privaten Alltagsbilder' dienen
den Grafikern von LSD als Grundlage einer Serie, die etwas über
die Welt und über Theater der Welt erzählt. "Der
Reiz ist, Unterschiedlichkeit oder Ähnlichkeit zu entdecken
und sich selbst und das Andere zu thematisieren." (BN)
Durch das vorgegebene Motiv des eigenen Zuhauses und der weltweiten
Verschickung der Kameras untersucht das Projekt 'Weltbild' auf seine
Weise das Festivalthema zwischen Globalisierung und Biographie.
Gent / Brügge
Josse de Pauw
üBUNG
Realisierung: Victoria, Gent, in Zusammenarbeit mit Het Net, Brügge
Josse de Pauw ist Schauspieler, Autor, Theaterregisseur und Filmemacher.
Als langjähriges Mitglied des Kaaitheaters in Brüssel,
als "artist in residence" bei Victoria
in Gent, wie auch als Künstlerischer Leiter des Het Net in
Brügge öffnete er das Theater für andere Kunstformen
und übernahm oft mehrere Funktionen gleichzeitig. Das Victoria
versteht sich als Plattform des experimentellen Theaters und ist
bekannt dafür, neue künstlerische Partnerschaften anzuregen
und ihnen Raum zu geben. So brachte es etwa auch Alain Platel und
Arne Sierens zusammen.
Als das Victoria Josse de Pauw
einlud, Theatertexte für Jugendliche zu schreiben, glaubte
er, deren Wellenlänge mit seinen Worten nicht treffen zu können.
Er entwickelte den Vorschlag weiter und kam zu dem Ansatz, die Welt
der Erwachsenen durch Jugendliche zu spiegeln, die diese Welt beobachten.
Er schrieb ein Stück, das zu einem Drehbuch wurde, aus dem
ein schwarz/weiß-Film entstand: In einem luxuriösen Landhaus
erwarten Robert und Rolanda die Ankunft ihrer Freunde Ria und Ivo.
Der überschwenglichen Begrüßung folgt die gezwungene
Heiterkeit der beiden Paare und zweier weiterer Gäste bei einem
Abendessen, im Laufe dessen viel getrunken wird. Dabei geht es zunächst
im lockeren Plauderton um Mobiltelefone und Jaguars, um das Neueste
über Kochschulen und Fernsehtechnik, um Swimming Pool und um
Sauna, bis man zu fortgeschrittener Stunde unter Einfluss des Alkohols
ganz andere Themen und Töne anschlägt.
Auf der Bühne beobachten sechs Kinder den Film, der Ton ist
abgestellt. Die Kinder, vielleicht zwölf, dreizehn Jahre alt,
sind genauso gekleidet wie die Erwachsenen auf der Leinwand. Sie
machen sich einen großen Spaß daraus, den 'Soundtrack'
des Films neu zu erfinden und die Stimmen, Gesten und Bewegungen
der Filmfiguren nachzuahmen. Das Spiel heißt üBUNG.
Die Idee war nicht, dass sie große Anstrengungen darauf
verwenden sollten, die Gefühle der Figuren auszudrücken,
erzählt Josse de Pauw von der Probenarbeit. Im Gegenteil!
Sie sollten sich darauf konzentrieren, völlig synchron mit
den Lippenbewegungen desjenigen Erwachsenen zu sprechen, dessen
'Miniaturversion' sie darstellten... Sie liebten es, Erwachsene
zu imitieren. Von Anfang der Proben an. Ich habe sie nicht inszeniert,
sondern ich habe ein Konzert dirigiert.
Es geht in üBUNG nicht um Bloßstellung, Hohn
oder Kritik. Die Konfrontation der Filmfiguren und ihrer stummen
Ausbrüche in Nahaufnahme mit dem live-Auftritt der Kinder und
ihren klaren Stimmen, ihrem hellen Lachen, ihren falschen Tränen
hat etwas Atemberaubendes und zugleich Melodramatisches. Dazwischen
liegt Ernüchterung.
Brügge
Perceval, Reichert & Perceval
L. King of pain
"Vater gegen Kind, het is alles tegen die Natur”
Text: Peter Perceval, Klaus Reichert & Luk
Perceval
Regie: Luk Perceval
In den 80er Jahren erregte Luk Perceval und sein Ensemble Blauwe
Maandag Compagnie in Flandern und den Niederlanden viel Aufsehen
mit dem Shakespeare-Marathon 'Ten Oorlog'.
1998 gründete Perceval Het Toneelhuis,
eine Fusion der Blauwe Montag Compagnie
mit der Koninklijke Nederlandse
Schouwburg aus Antwerpen, und wurde deren Künstlerischer
Leiter. Mit seiner ersten deutschen Regiearbeit, einer neuen Fassung
von 'Ten Oorlog' unter dem Titel 'Schlachten!', die als Produktion
des Hamburger Schauspielhauses
bei den Salzburger Festspielen
Premiere hatte, gelang ihm ein überwältigender Erfolg.
Anlässlich dieser Produktion war Thomas Thieme von den deutschen
Theaterkritikern zum Schauspieler des
Jahres 1999 gewählt worden.
Als Luk Perceval 1999 die Proben zu 'Schlachten!' aufnahm, bemerkte
er die große Affinität zwischen den Schauspielern aus
Deutschland und den flämischen und niederländischen Schauspielern,
mit denen er bis dahin als Regisseur zusammengearbeitet hatte. Das
brachte ihn auf die Idee, eine intensivere, grenzüberschreitende
Zusammenarbeit zu entwickeln, die nicht nur strukturell, sondern
auch inhaltlich nach Berührungspunkten zwischen den verschiedenen
Theaterlandschaften und Sprachgebieten sucht, in denen er als Regisseur
tätig ist.
Das Resultat ist 'L. King of pain', eingeladen zu Theater der Welt
2002, eine internationale Koproduktion zwischen dem flämischen
Toneelhuis, dem deutschen schauspielhannover,
dem Schauspielhaus Zürich
und Brügge, der Kulturhauptstadt 2002, wo die Premiere stattfinden
wird. Grundsätzlich will 'L. King of pain' die Schauspieler
in einer poetischen Kunstsprache agieren lassen, die in Zusammenarbeit
mit Shakespeare-Übersetzer Klaus Reichert entwickelt wurde.
Gesucht wurde eine Transparenz, die gleichzeitig das Deutsche und
Niederländische durchscheinen lässt und eine für
beide Sprachgebiete verständliche, literarische Sprache möglich
macht. Neben Thomas Thieme und 'Ten Oorlog'-Entdeckung Wim Opbrouck
besteht die Rollenbesetzung aus Mitgliedern der drei koproduzierenden
Häuser.
Schauspieler aus verschiedenen Sprachgebieten zu versammeln
und eine Form zu entwickeln, die über die Grenzen hinaus
verstehbar ist, hat natürlich mit der Frage zu tun, wie wir
im vereinten Europa mit diesem ja nicht unkomplizierten europäischen
Gedanken umgehen. Die Sprachmischung aus Niederländisch,
Deutsch, Französisch und Englisch leitet sich aus dem Stück
ab. Der Mensch, der Lear zu sein glaubt, heißt bei uns L.,
weil er genauso gut Louis heißen könnte, oder Ludwig
- oder Luk.
(Luk Perceval)
Buenos Aires
El Periférico de Objetos
SUICIDIO periférico
El Periférico de Objetos
ist eine der wichtigsten Theatergruppen Argentiniens, vielfach mit
Preisen ausgezeichnet und weltweit bekannt. Zum zehnjährigen
Bestehen widmete das Festival d'Avignon
der Gruppe eine Retrospektive. Gegründet wurde El
Periférico de Objetos 1989 in Buenos Aires von fünf
multitalentierten Puppenspielern, die zugleich schreiben, inszenieren
und spielen, aber auch außerhalb der Gruppe kreativ arbeiten:
Daniel Veronese, ursprünglich Schauspieler, ist einer der wichtigsten
Dramatiker Argentiniens und inszeniert seine Texte gelegentlich
auch selbst. Alejandro Tantanian ist Schauspieler und Sänger,
Ana Alvarado inszeniert außerdem Kindertheater, Emilio García
Wehbi ist auch Puppenbauer, und wie Román Lamas arbeiteten
oder arbeiten fast alle Gründungsmitglieder noch als Marionettenspieler
für das Teatro San Martin
in Buenos Aires.
Das Spiel mit Objekten, mit Puppen in allen Größen und
Variationen ist das Markenzeichen von El
Periférico:
Anfangs ging es nur darum, die Magie der Marionetten zu entmythologisieren.
Was wir taten, war eine viel rauere, viel gröbere Magie zu
erschaffen, die nicht funktioniert, wenn die Beziehung zwischen
der Puppe und dem Spieler versteckt wird, wenn sie nicht im Gegenteil
sogar zur Schau gestellt wird.
(Daniel Veronese)
Die Schauspieler spielen mit der Ambiguität des Lebenden und
des Gegenständlichen. Sie arbeiten mit Ausdrucksmitteln außerhalb
ihres eigenen Körpers, was die Individualität des Spielers
letztlich aufhebt. Es ist ein "Theater der Manipulation",
die im wahrsten Sinne des Wortes zu sehen und auch in politischer,
philosophischer und existenzieller Hinsicht gemeint ist. Die Gruppe
befragt auf ihre Weise die argentinische Gesellschaft und die politischen
Ereignisse der vergangenen Jahre. Von einem realistischen Diskurs
weit entfernt, kommt sie Themen wie dem Drama der tausenden während
der Militärdiktatur verschwundenen Menschen aus einer anderen
Richtung sehr nahe.
Theater der Welt 2002 wird ein neues Stück von Daniel Veronese
zeigen, in dem es um Selbstmord geht. Veronese will in einem poetischen,
ästhetisierten und einem dokumentarischen Teil mit der Schwere
spielen, die auf dem Thema Selbstmord in der Gesellschaft lastet.
Wieder werden Puppen eine wichtige Rolle spielen, unter anderem,
um als eine Art 'Selbstmörder-Dummies' das körperliche
Verhalten bei verschiedenen Todesarten zu testen. Auf einer philosophischen
Ebene geht es um die Verteidigung des Selbstmordes, um die intellektuelle
Erlaubnis, um die Angst vor dem Leben und die Sehnsucht nach dem
Tod. Veronese spürt literarischen Elementen nach, erinnert
an Stevenson und den 'Club der Selbstmörder' und fordert schließlich,
den Diskurs über das vergangene Jahrhundert wieder aufzunehmen.
Toronto
Nadia Ross, Jacob Wren
Recent Experiences
Realisierung: STO Union
in Zusammenarbeit mit dem Candid Stammer Theatre
Sechs Schauspieler nehmen ihre Plätze neben den Zuschauern
ein. Der Tisch ist gedeckt, das Spiel kann beginnen. Die Figuren
erzählen Bruchstücke aus ihrem Privatleben, und Stück
für Stück nimmt eine Geschichte Gestalt an. Vier Generationen
sitzen hier beisammen, spielen und tanzen, kommentieren und interpretieren
eine (Familien-) Geschichte des 20. Jahrhunderts. Schnappschussartig
entstehen Bilder von Träumen, Hoffnungen und Ängsten,
die umso eindringlicher sind, als die Distanz zwischen den Zuschauern
und den Schauspielern aufgehoben wird.
'Recent Experiences' ist eine Koproduktion der Gruppen STO
Union und Candid Stammer Theatre
aus Kanada. Beide Gruppen experimentieren mit theatralischen Mitteln
und erforschen alle unmöglichen und möglichen Wege, die
Theater gehen kann. Nadia Ross, Leiterin von STO
Union, und Jacob Wren, Direktor von Candid Stammer, arbeiten
beide als Schauspieler, Regisseur und Autor zugleich und werden
als wichtige, kreative Köpfe der unabhängigen Theaterszene
Kanadas gehandelt. Nadia Ross gewann 1994 mit Diane Cave den Calmer's
Award für The Alistair Trilogy und ein Jahr
darauf einen Dora Award für
Excerpts from the Emo Journals. Die künstlerische
Arbeit von Jacob Wren ist in den letzten Jahren ebenfalls national
und international sehr beachtet worden. Mit dem Stück I
cut, you bleed (1998) wurde er zum Festival 20
Jours de Théâtre à Risque eingeladen.
Er inszenierte außerdem das Aufsehen erregende Stück
En français comme anglais, It's easy to criticize
(2000), das beim 8. Festival de Théâtre
des Amériques als Teil der Serie Neue Szene
gezeigt wurde.
Mit 'Recent Experiences' zeigen Ross und Wren ihre erste gemeinsame
Produktion, an der sie drei Jahre lang gearbeitet haben. Die aufwendige
Entwicklung des Textes durch beide Autoren und langwierige Probenarbeiten
charakterisieren die Entstehung des Stückes. Sie wollten vor
allem zwei Forderungen erfüllen: Einerseits sollten die Grenzen
traditioneller Theaterformen gesprengt werden, andererseits ging
es darum, eine neue Dramaturgie zu entwickeln, indem man eine elliptische
Textstruktur findet, Dialoge er-findet, die etwas enthüllen,
ohne es vollständig preiszugeben. Zwei Workshop-Präsentationen
sind der Premiere von 'Recent Experiences' vorausgegangen, das 2002
erstmals in Deutschland zu sehen sein wird.
Toronto
Sarah Chase / Bill Brennan
Privatwohnungen von Sarah Chase, Toronto
In den letzten Jahren hat sich die kanadische Tänzerin und
Choreographin Sarah Chase weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt
Toronto hinaus einen Namen als Solotänzerin und Geschichten-erzählerin
gemacht. Ein Kritiker schuf die Bezeichnung "narrative dancer"
für die ihr eigene Verbindung von Tanz und Storytelling. In
Kanada wurden ihre eigenen Choreographien beim Canada
Dance Festival, bei Dancers for
Life, DanceWorks und Tangente
gezeigt. Sarah Chase arbeitete mit zahlreichen kanadischen Choreographen,
darunter Peggy Baker, Claudia Moore, Michelle Silagy, Bill James
und Benôit Lachambre zusammen, darüber hinaus mit den
Tanzkompanien Danse Partout in
Québec und Karen Jamieson in Vancouver. Im Januar 2000 war
sie in der preisgekrönten Theaterproduktion 'Building Jerusalem'
zu sehen.
Für Theater der Welt wird Sarah Chase gemeinsam mit dem Improvisationsmusiker
Bill Brennan ihre Performance 'Privatwohnungen' weiter entwickeln.
Familien, Paare, Singles aus Bonn, Düsseldorf, Duisburg und
Köln sind eingeladen, einige Tage im Hotel zu wohnen und ihr
Zuhause den Künstlern zu überlassen. Aus der vorgefundenen
Wohnsituation wird eine Performance erarbeitet, die den zurückgekehrten
Familienmitgliedern und einem Publikum im Wohnzimmer vorgeführt
wird. Dabei lässt sich Sarah Chase inspirieren von Einrichtungsgegenständen
und Schmuckstücken, von Bildern und Fotos, gerät ins Erzählen
und untermalt ihre Erzählungen mit Tanz zu der Musik von Bill
Brennan. Auf ungewöhnliche Weise spielt sie mit ihrem Publikum
mit verschiedenen Arten von Kommunikation und Intimität und
eröffnet neue Sichtweisen der eigenen Geschichte und Umgebung.
Bei einem Spektakel des Brüsseler Kaaitheaters
zur Thematik von 'face to face communication' wurde ich allein
mit einer kanadischen Performerin in ein Zimmer gebeten. Nach
einem Glas Wein forderte sie mich auf, Tarot-Karten zu ziehen.
Als ich dann einen Polarbär gezogen hatte, begann sie von
ihrer Kindheit an der kanadischen Küste bei Vancouver zu
erzählen, vom Tauchen und von der Begegnung mit dem Bären,
von ihren sexuellen Phantasien, von dem Versuch zu recherchieren,
welche Ureinwohner hier gelebt hatten und wie ihr Großvater,
der General, gegen eben diese Ureinwohner Krieg geführt hatte.
Nach einigen anderen Tarot-Karten erzählte sie die ganze
Geschichte ihrer Familie. Liebe und Krieg, wahrhaftige Gefühle
und Lüge gingen eine unentrinnbare Mischung ein, und am Ende
stellte man fest, dass man über die eigene Familie fast ebenso
viel erzählt hatte. Theater hatte wieder zurückgefunden
zu dem Austausch zwischen einem Darsteller und einem Zuschauer,
aber die Rollen waren unterwegs ganz unaufwendig getauscht worden.
(ML)
Daten und Dank
Western West Germany 2002
Theater der Welt
21. – 30. Juni 2002
Veranstalter
Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts
e.V.
und die Rheinland AG - Bonn · Düsseldorf · Duisburg
· Köln
Festivaletat
Der Festivaletat setzt sich aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung
für Angelegenheiten der Kultur und der Medien durch die Kulturstiftung
der Länder (KSL), des Landes Nordrhein-Westfalen und der Rheinland
AG zusammen
Förderer
Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen
Kooperationspartner
Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
Museum Ludwig, Köln
Forum Freies Theater, Düsseldorf
Fachhochschule Köln, Fachbereich Design
|
|
|
_DanceVideoNavigator |
Suche |
|
|
|