Scheich Dr. Sultan Bin Mohammad Al-Qasimi

Botschaft zum Welttheatertag 2007

Das Theater, diese faszinierende Welt, lernte ich voller Leidenschaft und Liebe in frühester Jugend kennen, als ich mich während der ersten Schuljahre zu Schreiben, Schauspiel und Regie hingezogen fühlte. Der Anfang war absichtslos, und ich bürdete dem Theater nicht mehr auf, als eine Seele und Geist bereichernde Schulaktivität zu sein. Sein wahres Wesen begriff ich erst, als ich mich mit dem Schreiben, Inszenieren und Spielen eines politischen Stücks befasste, das die Staatsmacht damals verärgerte. Sie beschlagnahmte alles, was sich im Theater befand, und es wurde vor meinen Augen geschlossen. Angesichts der Soldaten mit ihren Waffen blieb der Seele des Theaters nichts anderes übrig, als sich ins Gefühlsleben zu flüchten und darin zu verharren. In diesem Moment erkannte ich die Kraft und die Macht des Theaters, insbesondere in der Konfrontation mit denen, die die Meinung des Anderen nicht ertragen, und ich war von nun an überzeugt von der bedeutenden Rolle, die das Theater im Leben der Völker spielen kann.

Während meines Universitätsstudiums in Kairo verfestigte sich dieser Glaube und vertiefte sich in meiner Seele durch das, was ich aus Büchern über das Theater schöpfte und an Inszenierungen aller Art sah. Ebenso vertiefte sich dieses Bewusstsein in den folgenden Jahren dadurch, dass ich während meines Promotionsstudiums das europäische Theater und besonders das englische verfolgte.

Durch meine Theaterlektüren von der griechischen Antike bis zur Gegenwart begriff ich den den Welten des Theaters inhärenten Zauber, die menschliche Psyche und ihre verborgenen Dinge auszuloten. In mir verankerte sich die umfassende Überzeugung, dass das Theater einen die Menschheit vereinenden Faktor darstellt, durch den der Mensch die Welt mit Liebe und Frieden umgeben und Horizonte des Dialogs zwischen den verschiedenen Rassen und Farben mit ihren unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen eröffnen kann. Das Theater lehrte mich, den Anderen so zu akzeptieren, wie er ist, und ich begriff, dass das Gute die Menschen vereint und das Böse sie entzweit. Wenn das Gesetz des Theaters auf dem Widerstreit von Gut und Böse basiert, so neigt doch die Natur des Menschen in den meisten Fällen zum Guten.

Die treibende Kraft hinter den Kriegen, die die Menschheit seit alters her heimsuchen, sind bösartige, verborgene Dinge, die die Schönheit nicht achten. Die vollkommene Schönheit ist in keiner Kunst so reichlich vorhanden wie im Theater, denn es ist das Gefäß, das alle ästhetischen Künste zusammenbringt, und wer die Schönheit nicht zu genießen weiß, begreift den Wert des Lebens nicht. Theater ist Leben. Wie sehr haben wir es heute nötig, alle Arten von absurden Kriegen und dogmatischen Differenzen zurückzuweisen, die ohne Regung eines lebendigen Gewissens angefacht werden und mit Gewalt und ziellosem Töten die Welt beinahe vollständig überzogen haben. Zerrissen von gewaltigen Gräben zwischen ungeheurem Reichtum und bitterer Armut sind Teile der Welt von Seuchen wie Aids betroffen für deren Ausrottung sich die Kräfte des Guten nicht verbünden , sind mit den Problemen der Verwüstung und des Wassermangels konfrontiert, sind überschattet vom Fehlen eines wirklichen Dialogs darüber, wie wir die Welt, in der wir leben, zu einem besseren Ort machen.
Oh, ihr Theaterleute, aufgrund der Heftigkeit, mit der man um uns herum den Staub des Zweifels und des Argwohns aufwirbelte, brach der Sturm über unsere Plätze herein, so dass er nahe daran war, uns die klare Sicht zu verschleiern. Unsere Stimmen erreichen vor lauter Kriegsgeschrei und wegen der Distanz, die die Zwietracht zwischen den Völkern schafft, nicht alle Ohren. Der Sturm ist nahe daran, uns fortzureißen, um uns endgültig voneinander zu entfernen, wäre da nicht unser fester Glaube an die Rolle des Theaters, das in erster Linie auf dem Dialog basiert.

Es führt für uns also kein Weg daran vorbei, denen entgegenzutreten und zu trotzen, die ins Horn stoßen, um solche Stürme hervorzurufen. Nicht um diese Hörner zu zerstören, sondern um uns selbst fernzuhalten von jenen vergifteten Atmosphären und um unsere Bemühungen zu festigen, miteinander zu kommunizieren und uns denen zuzuneigen, die zur Verbrüderung zwischen den Völkern aufrufen.

Wir als Menschen sind vergänglich, das Theater aber bleibt, solange das Leben bleibt.

Scheich Dr. Sultan Bin Mohammad Al-Qasimi,
Mitglied des Hohen Rates im Staat der Vereinigten Arabischen Emirate -Gouverneur des Emirats al-Shariqa (Sharjah)

(Übersetzung: ITI Deutschland; Douraid Rahhal)