Pressemitteilung vom 28.02.2008

Welttheatertag, 27. März 2008
Botschaft zum Welttheatertag von Robert Lepage
Preis des deutschen ITI-Zentrums an Andrzej Wirth

1961 wurde vom finnischen ITI und unterstützt von den anderen skandinavischen Zentren ein Welttheatertag vorgeschlagen. Der IX. ITI-Kongress, 1961 in Wien, nahm den Vorschlag einstimmig an und proklamierte den traditionellen alljährlichen Eröffnungstag des Festivals Theater der Nationen in Paris, den 27. März, zum Welttheatertag.

International renommierte Theaterleute wie Jean Cocteau, Arthur Miller, Laurence Olivier, Jean-Louis Barrault, Helene Weigel, Miguel Angel Asturias, Peter Brook, Dmitrij Schostakowitsch, Pablo Neruda, Maurice Béjart, Ellen Stewart, Wole Soyinka, Martin Esslin, Jorge Lavelli, Edward Albee, Vaclav Havel, Tankred Dorst, Ariane Mnouchkine oder Víctor Hugo Rascón Banda wurden um Botschaften gebeten, in denen sie sich mit Bedeutung und Wirkung der Bühnenkunst im gesellschaftlichen Kontext auseinandersetzen.

In diesem Jahr stammt die internationale Botschaft zum Welttheatertag von Robert Lepage.

Es gibt viele mehrere Hypothesen über den Ursprung des Theaters - die für mich denkwürdigste hat die Form einer Fabel:
Vor undenklicher Zeit saßen eines Nachts in einer Höhle ein paar Menschen um ein wärmendes Feuer und erzählten sich Geschichten. Plötzlich kam einer von ihnen auf die Idee, aufzustehen und seine Erzählung mit Hilfe seines Schattens zu illustrieren. Er benutzte das Licht des Feuers, um die Personen seiner Geschichte überlebensgroß auf den Wänden in Erscheinung treten zu lassen. Die Übrigen erkannten erstaunt das Starke oder das Schwache wieder, den Unterdrücker oder den Unterdrückten, Gott oder die Sterblichen.
Heutzutage hat das Scheinwerferlicht das Lagerfeuer ersetzt und das Bühnenbild die Höhlenwände. Zum Missfallen der Puristen erinnert uns die Fabel daran, dass die Technologie am Anfang des Theaters steht und nicht als Bedrohung aufgefasst werden sollte, sondern als verbindendes Element.
Entscheidend für das Überleben des Theaters ist seine Fähigkeit, sich wieder und wieder zu erfinden und dabei neue Mittel, neue Sprachen zu integrieren. Wie soll Theater Zeugnis ablegen von den Herausforderungen seiner Epoche, wie kann es die Verständigung zwischen den Völkern fördern, wenn es nicht selbst Offenheit beweist? Wie kann sich das Theater rühmen Lösungen anzubieten für Probleme wie Intoleranz, Ausgrenzung, Rassismus, wenn es in seiner ureigensten Praxis jede Mischform und Integration verweigert?
Um die Welt in ihrer gesamten Komplexität darzustellen müssen die Künstler neue Formen und Ideen vorschlagen, müssen sie Vertrauen in die Intelligenz der Zuschauer haben und in deren Fähigkeit, die Silhouette des Menschen im ständigen Wechselspiel von Licht und Schatten zu erkennen.
Es ist wahr, wir gehen Risiken ein, wenn wir mit dem Feuer spielen, aber wir lassen es darauf ankommen: Wir können verbrennen, aber auch erstaunen und erhellen.

Robert Lepage
Quebec, 17. Februar 2008

Von 1975 bis 1978 studierte Robert Lepage Theater am Conservatoire d'Art Dramatique in der Stadt Québec. Vorwiegend arbeitet er als Theaterregisseur. Er leitet die Theaterkompanie Ex Machina, die er 1993 gründete. Robert Lepage gastiert mit seinen Theaterproduktionen auf allen großen Theaterfestivals in Europa, Australien, Japan und Amerika. Aktuell arbeitet er unter anderem an LIPSYNCH, einem internationalen Theaterprojekt mit neun Darstellerinnen und Darstellern aus Kanada, England, Spanien, Deutschland und USA. Eine erste Version wurde 2007 bereits in England, Spanien und Kanada gespielt. Die vollständige Fassung ist für 2008 in Deutschland, England, Dänemark, Schweden, Spanien und Frankreich geplant. Lepage erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Werke. Ihm wurde auch der Titel Officer of the Order of Canada verliehen.

Preis des ITI zum Welttheatertag an Andrzej Wirth

Das deutsche Zentrum des ITI verleiht seinen Preis zum Welttheatertag an Andrzej Wirth.
Als Gründungsdirektor und ehemaliger Lehrstuhlinhaber des Studiengangs "Angewandte Theaterwissenschaft" hat Andrzej Wirth in Giessen einen Studiengang geschaffen, der in seiner Ausrichtung - nicht nur in Deutschland - einmalig ist und aus dem Künstler wie René Pollesch, Rimini Protokoll, She She Pop etc. hervorgegangen sind. Die Ehrung verweist auf das Lebenswerk des Theatermannes Wirth und auf die Wurzeln des performativen Theaters in Deutschland, das heute auf vielen Bühnen im In- und Ausland sehr erfolgreich ist.
Das ITI wird im Rahmen des Festivals Theater der Welt 2008 in Halle/ Saale Ende Juni den Preis an Andrzej Wirth überreichen.

 

Michael Freundt
ITI Deutschland