Pressemitteilung vom 02.02.2006 Der Welttheatertag 27. März 2006 und die Botschaft zum Welttheatertag
International renommierte Theaterleute (u.a. Jean Cocteau, Arthur Miller, Laurence Olivier, Jean-Louis Barrault, Helene Weigel, Miguel Angel Asturias, Peter Brook, Dmitrij Schostakowitsch, Pablo Neruda, Maurice Béjart, Ellen Stewart, Wole Soyinka, Martin Esslin, Jorge Lavelli, Edward Albee, Vaclav Havel) wurden um "Botschaften" gebeten, in denen sie sich mit Bedeutung und Wirkung der Bühnenkunst im gesellschaftlichen Kontext auseinandersetzen. Der Text wird jeweils weltweit über die ITI Zentren verbreitet. In den letzten Jahren wurden die Botschaften des deutschen Dramatikers Tankred Dorst (2003) und der französischen Regisseurin Ariane Mnouchkine zu leidenschaftlichen Appellen für die kreative Kraft des Theaters. In diesem Jahr stammt die Botschaft zum Welttheatertag vom mexikanischen Dramatiker Víctor Hugo Rascón Banda. In seinem Text spricht Rascón Banda von einem neuen Leben des Theaters, jenseits von technischen Effekten und jenseits der Versuchung, ein Medium der Massenkommunikation zu sein. Emphatisch spricht er von einem Theater, in welchem die Gesellschaft sich ausdrückt und nicht bloße Geschichten, sondern Ideen verhandelt werden. Der Autor feiert Theater als "magische Form des Kommunizierens" und als Ritual, und zugleich spricht der Dramatiker, wenn es heißt "Theater ist ein Akt des Glaubens an den Wert eines vernünftigen Wortes in einer verrückten Welt." Geboren 1948 und aus einer Bergarbeiterfamilie stammend, wurde aus Víctor Hugo Rascón Banda eine Leitfigur der mexikanischen Dramatik. 1979 schrieb er sein erstes Theaterstück "Voces en el umbral" (Stimmen auf der Schwelle). In diesem Text zeichnet er das Leben zweier Frauen - einer Deutschen und einer Tarahumara-Frau - in der Zeitspanne zwischen Höhepunkt und Verfall der Bergbauindustrie nach. "Los ilegales" (Die Illegalen) ist sein erstes Stück, das zur Aufführung gelangt. Mit ihm beginnt eine Karriere, die von großen Publikumserfolgen begleitet wird, bei der Kritik und in der universitären Welt Anerkennung findet. Für sein dramatischen Werke hat er verschiedene nationale und internationale Preise erhalten. Sein Gesamtwerk umfasst 50 Theaterstücke und zahlreiche Drehbücher geschrieben.
===== Víctor Hugo Rascón Banda
Seit je hat man den Tod des Theaters angekündigt, Die Technologie hat von der Bühne Besitz ergriffen und die menschliche Dimension erdrückt; man hat mit visuellem Theater experimentiert, in der Nähe einer Malerei in Bewegung, die das Wort verdrängt. Es gab Stücke ohne Worte, ohne Licht oder auch ohne Schauspieler, nur mit Puppen oder Marionetten in Installationen aus Lichteffekten. Die Technologie hat versucht, das Theater in ein Feuerwerk, in ein Jahrmarktsspektakel zu verwandeln. Heute erleben wir, wie wieder der Schauspieler vor das Publikum tritt. Heute sind wir Zeugen der Rückkehr des Wortes auf die Bühne. Das Theater hat darauf verzichtet, Massenkommunikationsmittel zu sein und seine eigenen Grenzen erkannt, die ihm gesetzt sind durch die Gegenwart zweier Wesen, die sich gegenüberstehen und sich ihre Gefühle, Emotionen, Träume und Hoffnungen mitteilen. Die Bühnenkunst erzählt keine Geschichten mehr, sie verhandelt Ideen. Theater bewegt, erleuchtet, stört, verwirrt, erhebt, enthüllt, überschreitet. Es ist ein mit der Gesellschaft geteiltes Gespräch. Das Theater ist die erste Kunst, die sich mit dem Nichts konfrontiert, mit den Schatten und dem Schweigen, damit das Wort entsteht, die Bewegung, das Licht, das Leben. Theater ist lebendige Materie, die sich im Moment der Entstehung verzehrt und aus der Asche stets neu geboren wird. Es ist eine magische Form des Kommunizierens, bei der jeder Mensch etwas gibt und erhält, das ihn verwandelt. Das Theater spiegelt die existenzielle Angst des Menschen wider und ergründet die conditio humana. Nicht die Künstler sprechen durch das Theater, vielmehr die Gesellschaft. Die Feinde des Theaters sind offensichtlich: das Fehlen künstlerischer Bildung in der Kindheit - ein Umstand, der uns daran hindert, Theater zu entdecken und zu genießen; die weltweit zunehmende Armut, die die Zuschauer von den Theatern ausschließt; die Gleichgültigkeit und Verachtung der Regierenden, die das Theater fördern sollten. Einst sprachen Götter und Menschen im Theater miteinander, heute spricht der Mensch zu anderen Menschen. Darum muss Theater größer und besser sein als das Leben selbst. Theater ist ein Akt des Glaubens an den Wert eines vernünftigen Wortes in einer verrückten Welt. Es ist ein Akt des Glaubens an die Menschheit, die für ihr eigenes Schicksal verantwortlich ist. Wir müssen das Theater leben, um zu verstehen, was uns widerfährt, um den Schmerz zu vermitteln, der uns umgibt, aber auch um einen Schimmer von Hoffnung zu ahnen im Chaos und im Albtraum unserer Tage. Ein Hoch allen, die den Ritus des Theaters zelebrieren! Es lebe das Theater! Victor Hugo Rascón Banda =====
Mit freundlichen Grüßen
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